Historische Trouvaille
Sissi fährt im Sarg durch Baden
Das Attentat auf Kaiserin Elisabeth von Österreich-Ungarn am 12. September 1898 in Genf schockierte die Welt. Ihre Leiche wurde per Zug quer durch die Schweiz nach Wien transportiert. Auch durch Baden.

Kur-Concert verschoben!
Am 14. September kündigte das «Fremdenblatt» den Badener Kurgästen an: «Der Sonderzug mit der Leiche Ihrer Majestät der Kaiserin von Oesterreich fährt nachmittags 3 Uhr 32 hier durch.» Aus diesem Grund wurde das tägliche «Conzert» der Kurkapelle von 15.30 auf 16 Uhr verschoben.
Bild: Inserat aus dem Fremdenblatt vom 14.9.1989, @Stadtarchiv Baden

Der Spezielle Separatzug
Der «Hofzug» mit der Leiche der Kaiserin fuhr als Separatzug von Genf nach Wien, wo Elisabeth, seit Kindheit «Sissi» genannt, bestattet werden sollte. Die «Schweizer Freie Presse», eine Badener Tageszeitung, berichtet am 14. September 1898, dass der Zug «aus einem Galawagen» mit dem Hofpersonal der Kaiserin, einem «Salonwagen», einem «Restaurationswagen» und dem «Leichenwagen» selbst besteht. Letzterer sei so angefertigt, dass «rings um den Wagen herum ein Gang mit Geländer führt». Im Innern befinde sich ein kleiner Salon für das «Wartepersonal» und dann ein Raum mit dem Sarg selbst.
Bild: Bestattung Sissi, @Alte Ansichtskartenversand
In Aarau 10 Minuten halt
Der Wagen hielt an zahlreichen Orten in der Schweiz. In Aarau gar zehn Minuten lang. Eine Delegation des Aargauer Regierungsrates und des Stadtrates Aarau kondolierten den Begleitern, die bei diesem Halt aus dem Zug stiegen. Gemäss Bericht im «Badener Tagblatt» vom 15. September 1898 hätten die Kirchenglocken bis zur Abfahrt geläutet. Der Andrang muss sehr gross gewesen sein: Der ganze Bahnhof sei «besetzt» gewesen mit Menschen, alle «in lautloser Stille». In Baden dann fuhr der Zug am 14. September um 15.32 Uhr vorbei. Auch hier dürfte es gut Publikum gehabt haben.
Bild: Bahnhof Aarau 1910–1920, @ETH Bildarchiv

Star Sissi
Elisabeth Amalie Eugenie wurde 1837 in München als Tochter des Herzogs in Bayern Max Joseph und der Prinzessin Ludovika Wilhelmine geboren. Im Jahr 1854 heiratete sie ihren Cousin Franz Joseph I. und wurde zur Kaiserin von Österreich und Königin von Ungarn. Auch als sie noch lebte, war Elisabeth ein Star: «Kaiserin Elisabeth galt als eine der schönsten Frauen ihrer Zeit», war am 13. September, einen Tag nach ihrem Tod, in der «Schweizer Freie Presse» zu lesen. Der Artikel zitiert einen «Schriftsteller», der «Sissi» als «hoch, schlank, leicht und anmuthig» beschreibt, «ihr Wesen ist graziös, belebt, bestimmt, das tiefblaue Auge voll träumerischen Glanzes». Die überhöhte Darstellung der stets gut gekleideten Kaiserin kannte kaum Grenzen.
Im September 1898 weilte sie als 61-Jährige in Genf und wurde auf dem Weg zu einer Raddampferfahrt von einem italienischen Anarchisten Luigi Lucheni ermordet. Sie selbst merkte den Stich mit einer Feile in ihr Herz nicht und brach dann auf dem Schiff tot zusammen. Der Mord löste ein riesiges Medienecho aus. Auch die Badener Tageszeitungen Badener Tagblatt und Schweizer Freie Presse berichteten über Tage hinweg vom Mord, dem Hergang und der Identität des Attentäters.
Bild: Illustration Ermordung Sissi, @Wikimedia